Korfu

Posted by on 01. Februar 2013 in Gewesen | No Comments

Korfu liegt unter mir. Eine grüne Insel, länglich, bergig. Ich kenne diesen Umriss. Ich habe ihn mir oft angesehen, platt auf Karten, auf Google Earth. Und jetzt soll es Zuhause werden.Ein Lomo Bild. Vier Bilder auf einem Bild. Ein blonder Mann in einem Weingarten.
Das Flugzeug dreht eine Kurve und landet. Keryra sagen sie hier. Es ist früh. Ich bin durch die Nacht geflogen, schien mir passend.
Ein Taxi bringt mich ins Hotel Arion. Das Hotel ist ein Sammelbecken für Erasmus Studenten. 10 Euro kostet eine Nacht, wenn man sich das Zimmer teilt. 15 wenn man alleine wohnen will.
Mein Zimmer ist noch nicht fertig. Ich bleibe in der Lobby, sitze auf meinen beiden Koffern, auf allem was ich habe.
Bist du nicht… Jemand tippt auf meine Schulter. Es ist Paul. Ich kenne ihn aus der Korfu 2012 Facebook-Gruppe.
Ich wollte gerade zur Uni. Sagt er. Ich folge ihm an der Bucht entlang. Der Blick zum Meer, metallisch wie Quecksilber. Wir gehen durch die Altstadt unter quer gespannten Wäscheleinen zum Campus. Unser Koordinator ist nicht in seinem Büro. Maybe tomorrow. Sagt die Sekretärin.
Ich bekomme eine SMS. Komm doch zum   Strand. Es ist Lea, auch aus der Facebook-Gruppe. Wir gehen zum Strand. Lea und ein paar Griechen sind da. Ein Freund hat eine Wohnung für dich! Sagt einer. Lea sagt, das wäre gut. Für ein halbes Jahr im Winter vermieten sie nicht, eigentlich.
Es ist dunkel als ich mit Lea in die Altstadt gehe, an der Bucht entlang zum großen Platz. Am Pararefterio, am Kiosk sollen wir den Freund mit der Wohnung treffen. Ein dicker Mann in weißer Leinenkleidung kommt zu uns. Es ist der Freund eines Bekannten. Auf seinem weißen Hemd ist ein Tintenfleck, das macht mich stutzig.
Die Wohnung ist im venezianischen Viertel, drei Zimmer, Blick auf Meer. Ein bisschen muffig. Das vergeht. Übersetzt Lea. Man muss nur gründlich lüften.
Sie handelt mit dem Vermieter. 350 Euro kalt, 300? Deal.Blick auf ein altes Haus, teilweise ist die Fassade abgebröckelt und das Mauerwerk ist sichtbar.

Ich hole schnell das Geld am Automaten, dann kann ich bleiben. Paul bringt meinen Koffer vom Hotel Arion. Wir trinken Wein auf den Stufen vor dem Haus. Sie gehen. Drinnen  ist muffig. Ich liege wach. Der nahe Hafen ist laut, also schließe ich die Fenster. Es ist stickig. Ich stehe auf, gehe in die Küche und will Teewasser aufsetzten. Mein T-Shirt bleibt an einem Nagel in der Wand hängen. Hängt da wohl für Handtücher. Mir gefällt der angerostete Nagel nicht. Ich ziehe daran. Er sitzt fest. Ich ziehe noch mehr. Der Nagel sitzt fest, aber die Wand bröselt. Hinter der Holzvertäfelung steigt Staub auf. Es riecht nach Moder, nach Verwesung. Ich muss husten. Vorsichtig treibe ich die Finger hinter die Holzvertäfelung. Schimmel, grün und pelzig, die ganze Wand hoch.
Ich lege mich nicht in das Bett. Ich sitze auf meinen Koffern und warte bis es hell wird. Dann ziehe ich meine Koffer die Bucht entlang zum Hotel Arion zurück.
Lea ruft den Vermieter an. Du bekommst dein Geld nicht wieder. Übersetzt sie. Der Deal ist gemacht. 600 Euro habe ich ihm gegeben. Eine Monatsmiete so, und eine als Kaution.
Hast du keinen Mietvertrag, keine Quittung? Fragt Paul. Nein, ich dachte, das läuft hier so.
Wir gehen zu Leas griechischen Freunden.
Wie heißt denn der Vermieter?
Soutris. Sagt Lea und hält den Zettel mit seiner Nummer hoch.
Soutiris und weiter?
Soutiries, das ist alles, kein Nachname, keine Adresse. Sie rufen an. Er nimmt nicht ab.

Wir gehen an den Strand. Es gibt nichts zu tun. Ich starre in die Sonne, bis ich nur noch blinde Flecken vor den Augen habe. Wir gehen die Bucht entlang zur Uni. Unser Koordinator ist nicht da. Wir sitzen in der Altstadt auf gelben Pflastersteinen, trinken Bier, starren die Touristen an. Sie gehen in die Fish-Spas, wo winzige Fischchen an ihrer Hornhaut nagen. Special Offer, special offer, rufen die hübschen Griechinnen vor den Geschäften.

Blick auf das Meer. Die Sonne scheint in die Kamera, sodass sich ein großer Lichtreflex bildetWir rufen wieder die Nummer an. Der Vermieter nimmt ab. Wir reichen das Telefon weiter. Alexis, einer von Leas griechischen Freunden spricht mit dem Vermieter. Alexis wird laut.
You still have the key? Fragt er nachdem er aufgelegt hat.
Sure.
Then let´s go.
Ich klettere hinter ihm auf seine Vespa. Wir rasen durch die Altstadt. Im Zickzack durch die Autos. Ich schließe die Wohnung auf. Der Schimmel schlägt uns entgegen. Wir machen ein paar Fotos.
They knew they could not rent the flat to somebody from Greece… Sagt Alexis. So they rent it to you.

Ich schlafe wieder im Hotel Arion. Auch hier riecht es modrig. Paul und ich gehen zur Uni. Nach vier Tagen treffen wir unseren Koordinator. Aber alle Kurse die ich mir ausgesucht hatte, wurden wegen der Krise gekürzt. Wir essen Gyros-Pita und lassen die Füße ins Meer baumeln. Ich frage mich, was ich hier soll. Sagt Paul.
Alexis ruft mich an. Wir treffen den Vermieter auf dem Markt.
You can do Karate right? Er lacht, aber er ist nervös. Die Händler starren uns an. Sie wissen von dem Streit. Wir gehen zu einem Stand. Alexis redet mit dem Besitzer. Wir sollen warten, übersetzt er. Wir warten lange. Immer wieder werfen uns die Verkäufer böse Blicke zu. Es ist heiß.

You see the clouds? The weather is gonna chance. Bald kommt Regen und regnet es einmal auf Korfu hört es nicht mehr auf.
Der Vermieter erscheint am Markteingang. Langsam kommt er zu uns. Er trägt helle Kleidung, das gleiche Hemd wie vor drei Tagen, das Hemd mit einem Tintenfleck auf der Brust. Sie reden griechisch. Der Vermieter ist wütend, einer der Verkäufer schaltet sich ein. Er schreit. Alexis bleibt ruhig. Der Vermieter gibt ihm einen Batzen Scheine. Während sie reden, zähle ich. Es sind nur 500.
That´s all you´re gonna get. Alexis drückt an meine Schulter.
Ich spüre die Blicke der Marktleute in meinem Nacken. Er lässt die Vespa an. Ich steige schnell auf. Er gibt Gas. Wir sind weg.Blick zwischen zwei alten eng stehenden Häusern. Zwischen den Häusern spannen sich Wäscheleinen.
Am nächsten Tag regnet es. Paul und ich sitzen in der schäbigen Lobby des Hotels und sehen den Tropfen zu, wie sie an die Scheibe klatschen. Der Entschluss ist gefallen.
Kommst du mit zum Flughafen?

Der nächste Flug geht drei Tage später. Paul hilft mir mit den Koffern. Alles was ich habe, trage ich wieder zurück. Spülmittel und eine Wäscheleine habe ich ihm geschenkt. Wir reden nicht, wir stehen zwischen plappernden Touristen für die ein Urlaub zu Ende geht.
Er winkt, als ich durch die Sicherheitsschleuse gehe.
Dann liegt Korfu unter mir. Platt und grün. Ich sehe die Kurve der Bucht, die Stege am Hafen, das Kneul von Gassen im Venezianischen Viertel, dann durchbricht das Flugzeug ruckelnd die Wolkendecke. Korfu ist verschwunden.

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