Holy Ca$$$hing

Posted by on 04. Juli 2013 in Gewesen | No Comments

Die Bässe wabern bis auf die Autobahn. Vor der Commerzbank Arena, am Waldrand, in einem mit Bauzäunen abgeteilten Areal ist Holi-Festival der Farben. Weiß gekleidete Menschen zucken im Tackt der Musik.
Einmal pro Stunde ertönt ein Countdown.
„WO SIND EURE FARBEN?“, schreit ein Typ auf der Bühne, dann werfen alle 10.000 Besucher gleichzeitig farbiges Pulver in die Luft.
Kollektiver Unsinn, ja und so schön bunt. Sonne, Musik und Feelgood-Festival-Laune. Und endlich mal das, was Mama früher mit den Spaghetti verboten hat, richtig rumsauen.
Ursprünglich ist das Ganze ein rituelles indisches Frühlingsfest. Man zelebriert den Sieg des Guten über das Böse.
Die indischen Traditionen, die der Veranstalter so ausdrücklich betont, gehen in dem ganzen Spektakel aber vollkommen verloren. Gefeiert wird hier eigentlich nichts. Der Sieg geht klar auf das Konto des Veranstalters.
17 Euro Eintritt kostet das Festival. Für einen Farbbeutel zahlt man immerhin stolze 2 Euro. Bei gut 10.000 Festivalbesuchern sind das pro Countdown etwa 20.000 Euro die binnen Sekunden in der Luft verpuffen. Um die Farbwurfzone haben die Marketingpartner Stellung bezogen. Kaffee Hersteller Krüger verteilt Chai Latte.  Soviel zur indischen Tradition. Einen Werbestand der indischen Tourismus Behörde gibt es noch. Incredbile India.
Die Getränke sind hochpreisig. Sie kosten zwischen 3,50 für Softdrinks und 7 Euro für einen Apperol irgendwas. Zuzüglich Pfand, versteht sich. Holy Ca$$$hing!
Jägermeister, Apperol und Carlsberg verteilen lustige, bunte Kopfbedeckungen. Direkt Marketing vom Feinsten. In diversen Fotoboxen kann man sich ablichten lassen. Bilder von sommerlich gekleideten, bunten Menschen, direkt bei Facebook hochgeladen. 10.000 potenzielle Werbegesichter. Datenschutz? Fehlanzeige.

Der nächste Farbwurfcountdown rückt näher. Wir quetschen uns durch die Massen auf die Farbwurfzone. Lachen und Geschrei. Die Anspannung ist deutlich fühlbar.

„3,2,“,schreit der Mann auf der Bühne, den wir nicht sehen können. „1! Wo sind eure Faarben!“
Der Himmel über uns explodiert. Fontänen von Blau, Lila, Pink und Gelb sprühen in den Himmel. Für einen Moment stehen sie in der Luft. Bizarre, bunte Gebilde. Alle kreischen durcheinander. Dann platscht die Farbe hinunter. Blau in meinen Nacken, Gelb auf meine Beine. Mehr und mehr Farbe fliegt durch die Luft. Sie verwirbelt, vermischt sich zu feinen, bunten Staub. Alles wird trüb, der Staub legt sich auf die Lungen und die Augen. Trübe, bunte Schlieren. Ich muss husten.

So schnell wie es begann ist es auch wieder vorbei. Die bunten Menschen verteilen sich. Einige tanzen noch etwas. Wir laufen zum Getränkestand. Farbe klebt zwischen den Zähnen. An der Apperol Plörre nippend schauen wir zu, wie die Sonne langsam tiefer sinkt.

Zwischen den Festivalbesuchern eilt ein kleiner, indischer Mann im Overall umher. Mit gesenktem Kopf sammelt er alte Flaschen und leere Farbbeutel ein. Das einzig, wirklich Indische an dem Kunterbunt- und Sinnfrei-Festival.

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