Häppchen und Illusionen vor Sonnenuntergang

Posted by on 11. Juni 2012 in Gewesen | No Comments

Frankfurt, Mainzer Landstraße. Club Adlib. Achter Stock. Hinter den Wolkenkratzern geht die Sonne unter. Gut sechshundert geladene Gäste treffen sich zu Sekt und Häppchen. Titel der Veranstaltung: Die Frankfurter Medien empfangen die ADC Mitglieder.
Also alle die zum Thema Werbung was zu sagen haben. Kreative, Agenturchefs, Fotografen und Paradiesvögel. Mittendrin ein Mann mittleren Alters im blauen Anzug, der nur Augen für sein iPhone hat. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck hält er es in die Luft. Drückt immer zu den Auslöser. Macht Fotos von Himmel. Von der Skyline. Von den Menschen. Verhalten, heimlich, aber interessiert beobachten ihn die Partygäste. Denn der Mann ist bekannt und Fotos sind sein Metier. Der Mann mit dem iPhone ist kein geringerer als Hubertus Hamm.
Hubertus Hamm ist ein bemerkenswert vielseitiger Fotograf. Einer der Großen. Spielend springt er zwischen zwischen Werbe- und Kunstfotografie. Für die VOUGE und das ZEIT-Magazin hat er fotografiert.

 

Ein Mann hält ein I-phone in die Luft

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„360° Panorama“ heißt die App, mit der er spielt. Sie errechnet aus den Schnappschüssen ein Rundumbild. Bewegt er das Handy, bewegt sich das Bild mit. Eine technische Spielerei, deren Faszination für Hamm im Umgang mit dem Raum liegt. Der Raum, eines seiner zentralen Themen.

Hamm ist einer dem Möglichkeiten, wie auch die Grenzen seines Mediums bekannt sind. Die schönsten Räume, sagt er, kann man nicht aufnehmen. Zum Scheitern verurteilt der Versuch, ein gutes Toskana-Bild zu machen. Fotografie ist begrenzt. Die stärksten Bilder sind für ihn, die Mentalen, die im eigenen Kopf.

Inzwischen ist das Servicepersonal dazu übergegangen die Hauptgänge zu servieren. Kellner in blütenweißen Hemden tragen Schiefertabletts mit duftendem Risotto zwischen den Gästen umher.  Dazu wird Pinot Grigio gereicht. Außerdem haben zwei Köche hinter einem großen Grill Stellung aufgenommen. Unter dem Rand ihrer hohen weißen Mützen steht der Schweiß. Sie braten Fillet-Burger. Die kann man sich nach eigenem Gusto belegen. Die Kreativen stehen an. Sie sind hungrig.

 

Ein Balkon auf dem Köche an einem Grill stehen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Etwas abseits treffe ich auf Thomas Hofbeck. Der Creative Direktor trägt Caro-Hemd, Jeans und  Turnschuhe. Seid 15 Jahren ist er bei Ogilvy. Eine DER Agenturen weltweit. Etwas Wehmut schwingt in seiner Stimme, als er von seinen Anfängen erzählt. Ein Uniprojekt hatte ihn nach Frankfurt verschlagen. Aus Versehen war er eine Woche zu früh angereist. Nach anfänglichen Zögern und Zweifeln, nutze er die Zeit. Auf gut Glück, klopfte er bei den Frankfurter Agenturen an. Bilanz am Ende der Woche: Drei Jobangebote. Kein schlechter Start.

Es sei ein Zufall gewesen, sagt er lachend, oder vielleicht kam er so gut an, weil er sich getraut hatte. Nur nicht immer allzu brav sein!

Die Sonne ist nun hinter den Wolkenkratzern verschwunden. Zum Nachtisch gibt es Apfeltiramisu, oder American-Brownies mit kandiertem Rhabarber. Außerdem Marcons, das neue Trendgebäck, klärt mich einer der Kellner auf. Kleine, luftige Kekse in Pastellfarben auf Schaschlickspießen.
In einer Gruppe entdecke ich das Werberurgestein Michael Schirner.

„Sie haben doch vor Jahren dieses Buch geschrieben?!“ frage ich. Er lacht. „Ach Gott, das ist doch schon hundert Jahre her.“ Zugegeben, fünfundzwanzig Jahre ist es her. Doch Schirners Buch „Werbung ist Kunst“ hat das Selbstverständnis der Werbung und auch das der Werber nachhaltig verändert. Es hat die Grenzen zwischen Werbung und Kunst verwischt.
Also sind die Werber Künstler?
„Der Unterschied zwischen Kunst und Werbung,“  werfe ich ein, „ist ja, dass der Künstler nicht primär verkaufen will, die Werbung schon.“
Schirner beugt sich zu mir. Er lächelt. „Wissen sie, das ist eine Illusion,“ sagt er. „Wir meinen immer nur, dass die Werbung verkauft. In Wirklichkeit verkaufen wir gar nichts.“ Und er lächelt immer noch, lächelt weise, wie einer der es wissen muss, wie einer der es erlebt hat.

 

 

Hier das ganze Interview mit Hubertus Hamm, das im Ramen des hFMA Projekts Netzreporter entstandt:

Leave a Reply