Schweighöfer Faktor

Posted by on 12. Januar 2013 in Gesehen, Gewesen | No Comments

„MATTHIIIIIIAAAAS!“
Die Mädchen kreischen und beugen sich weit über die Absperrung.
„Matthiiiiias hiiiiiier!“
Als sich Schweighöfers blonder Schopf endlich um die Ecke schiebt, ertönt ein uniformes Seufzen von den Zahnspanngenträgerinnen hinter mir. Schweighöfer promotet hier in Frankfurt im Metropolis seinen neusten Film „Schlussmacher“. Immerhin zur Hälfte spielt der Beziehungsklamaukstreifen in Frankfurt. 600.000 Euro hat die Filmförderung „Hessen Invest“ des Landes Hessen beigesteuert.SchweighöferundMeute

Die Stadt ist im Ausnahmezustand, während Schweighöfer mit Seelenruhe über den extra ausgerollten Teppich schreitet. Er post brav, schreibt Autogramme, zeigt sein Dauerlächeln.

 

Ja wir mögen Schweighöfer. Er hat so etwas. Er ist DER neue deutsche Filmemacher, Regisseur und Schauspieler. Er ist der neue Till Schweiger. Keiner kann die Stirn so knuffig in nachdenkliche Falten werfen wie Schweighöfer. Keiner kann aus seinen dunkelbraunen Rehaugen so treuherzig gucken.

In seinem neusten Film spielt er Paul, der für eine Agentur arbeitet die professionell Beziehungen beendet. Trennungen ohne Komplikationen, ohne Emotion. Eine Trennung erweist sich aber als schwierig, ausgerechnet die Tochter des Chefs soll getrennt werden. Deren Ex Toto (Milan Peschel) nimmt die Trennung aber nicht hin. Er heftet sich an Pauls Fersen. Als Paul durch einen Unglücksfall seinen Führerschein verliert, ist die Lösung schnell gefunden. Toto wird Fahrer für Paul. Das ungleiche Paar macht sich auf den Weg nach Frankfurt. Auftritt der Jungs von Badesalz, als hessisch-kauzige Hoteliers. Beziehungen werden getrennt, wobei Toto Paul unfreiwillig sabotiert. Natürlich kommen Paul bald Zweifel an der Richtigkeit seiner Arbeit. Er vermisst seine Ex-Freundin Natalie (Catherine De Léan). Etc, etc,etc…

SchweighöferundMedienDer Film mutet an wie eine Dauer- werbesendung. In regelmäßigen Abständen beherrschen die Produkte der Hauptsponsoren das Bild. Schweighöfer alias Paul ernährt sich beinah ausschließlich von Pick-Up Schokoriegeln. Dialoge spielen verdächtig oft vor Paarship-Plakaten. Zwischendrin immer mal wieder Großaufnahmen von Vodaphone Handys und natürlich endlose Variationen dieses einen Bildes: Mercedes Benz fährt durch Landschaft.

Oft ist das endlose Productplacement unfreiwillig komisch. Als Schweighöfer mit der Vodaphone Navigation den Wohnort eines Kunden sucht und dazu mit seinem Vodaphone-Handy in der Luft herum fächelt, geht ein höhnisches Kichern durch den Saal, das die Macher sicher nicht beabsichtigt hatten.

Auch die Story bleibt vom Productplacement nicht verschont. Plötzlich taucht ein Mitarbeiter der Berliner Firma in Frankfurt auf und übergibt den Schlüssel für ein neues Auto. Hier konnte Mercedes sich anscheinend nicht entscheiden, welches Auto sie in dem Film sehen wollten.

Die Story ist lückenhaft um das Productplacement gezimmert. Pseudotiefsinnige Beziehungswahrheiten „Liebe ist nichts für Feiglinge“ wechseln sich ab mit Klamauk, für den sich amerikanische B-Movies nicht schämen müssten. Dicke Frauen sollen mit Gigolos verführt werden und landen auf der Motorhaube des Mercedes. Unter irrem Geschreie fliegt die Dicke schließlich vom Auto, landet nach Überschlag und mit Hößchenblitzer direkt vor den Füßen eines wohlhabenden Scheichs, der sie darauf heiratet. Ab und zu verwöhnt der Regisseur sein Publikum mit hippen Slow-Mo-Aufnahmen, zum Beispiel als Paul von einem wütenden Russen unter Beschuss genommen wird, der denkt er habe seine Tochter geschwängert. Wir bekommen zwei notgeile Lesben präsentiert, die spontan einen Dreier mit Toto schieben, als progressiv Haltung zur Homosexualität verkauft.

Einziger Lichtblick des Streifens ist Milan Peschel, der als kauziger Toto Schweighöfer schlichtweg an die Wand spielt. Während Schweighöfer in einer nachdenklichen Szene vor dem Hintergrund des Edersees, dauernd den Text vergisst und sich mit „ähm“, „ah“ durch den Dialog stottert, brilliert Peschel mit Einfühlsamkeit. Er baut diese magische Nähe zum Publikum auf. Als er nach einem Unfall im Krankenhaus zu Bewusstsein kommt und sich mit seiner Freundin versöhnt, rührt er mich tatsächlich fast zu Tränen.

Vor der Premiere meinte ein Freund zu mir: „Wenn Schweighöfer für Promotion schon nach Frankfurt kommt, kann der Film ja nichts sein…“

„Ach ich mag Schweighöfer…“ sagte ich mit einem Lächeln. Und ich würde ihn wirklich gern mögen, weil er so etwas hat. Er hat so etwas Pfiffiges, ein bisschen rebellisch, ein bisschen verwegen, aber auch ein bisschen verloren. Er sieht so aus als würde er gute Filme machen. Das ist der Schweighöfer Faktor.

SchweighöferPose

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